HEIMSUCHUNG

in scharfer Windstoß riss Eragon aus dem Schlaf. Die Bettdecke bauschte sich flatternd über ihm auf, als der Wind durchs Zimmer fegte, seine Sachen durch die Luft schleuderte und die Laternen gegen die Wand schlug. Draußen verdüsterten schwarze Gewitterwolken den Sternenhimmel.
Saphira beobachtete, wie Eragon vorsichtig aufstand und um sein Gleichgewicht rang, während der Baum hin und her schaukelte wie ein Schiff auf dem Ozean. Er senkte den Kopf gegen den Wind und ging hinüber zu dem tropfenförmigen Landefenster, durch das der Sturm hereinblies.
Eragon blickte von dem wankenden Baum zur Erde hinunter. Auch sie schien sich zu bewegen. Er schluckte beklommen und versuchte, das Rumoren in seinem Magen zu ignorieren.
Er zog den Saum der Stoffmembran, mit der man das Portal schloss, aus der Wandritze und bereitete sich innerlich schon darauf vor, mit einem Satz auf die andere Seite des Raums zu springen. Falls er ausrutschte, gab es nichts, was seinen Sturz auf die Baumwurzeln verhindern würde.
Warte!
Saphira drehte sich ein Stück auf ihrem Schlafpodest herum und legte den Schwanz so neben ihn, dass er sich daran festhalten konnte.
Eragon zog die fest aufgerollte Stoffbahn bloß mit einer Hand, was allein schon anstrengend war, und hangelte sich an Saphiras Schwanzstacheln an der Wandöffnung entlang. Als er die andere Seite erreichte, packte er den Stoff mit beiden Händen und verhakte den Saum in den dafür vorgesehenen Halterungen.
Schlagartig kehrte Ruhe ein.
Die Membran blähte sich unter dem Ansturm der Elemente nach innen, hielt ihnen aber stand. Eragon stieß mit dem Finger dagegen. Das Material war straff wie ein Trommelfell.
Wirklich beeindruckend, was die Elfen alles herstellen können, sagte er.
Saphira nickte, dann schob sie den Kopf zurück unter die Decke und lauschte dem Unwetter. Du solltest dein Arbeitszimmer verschließen. Es wird gerade durcheinander gewirbelt.
Er eilte die Wendeltreppe hinauf. Da erbebte der Baum unter einem Windstoß, der Eragon von den Füßen holte. Er fiel unsanft auf die Knie.
»Au!«, ächzte er.
Im Arbeitszimmer tobte ein Wirbelsturm aus Papieren und Schreibfedern, die durch die Gegend flogen wie lebendige Wesen. Die Arme schützend über den Kopf gelegt, stürmte er in das tosende Durcheinander, und als ihn die ersten Federkiele bombardierten, fühlte es sich an, als würde er gesteinigt.
Eragon wollte das obere Landeportal ohne Saphiras Hilfe schließen, doch als er sich vorbeugte, explodierte in seinem Rücken ein so heftiger Schmerz - ein endloser, schneidender Schmerz -, dass es ihm die Wirbelsäule zu zersprengen schien.
Eragon schrie so laut und intensiv, dass er heiser wurde. Rotes und gelbes Feuer tanzte vor seinen Augen, bis er zusammensackte und alles um ihn herum schwarz wurde. Er hörte, wie Saphira im Zimmer unter ihm verzweifelt fauchte. Die Wendeltreppe war zu schmal für sie und von draußen kam sie wegen des Sturms nicht hinauf. Eragons Verbindung zu ihr wurde schwächer, und er übergab sich der lauernden Finsternis, die ihn von seiner Qual zu erlösen versprach.
 
Als Eragon aufwachte, hatte er einen säuerlichen Geschmack im Mund. Er wusste nicht, wie lange er bewusstlos gewesen war, aber die Arme und Beine taten ihm weh, weil er die ganze Zeit zusammengerollt dagelegen hatte. Der Sturm peitschte noch immer um den Baum, begleitet vom prasselnden Regen, der auf das Pochen in Eragons Kopf zu antworten schien.
Saphira?
Ich bin hier. Kannst du herunterkommen?
Ich kann es versuchen.
Er war noch zu schwach, um auf dem schwankenden Boden aufzustehen, deshalb kroch er auf allen vieren zur Treppe und rutschte Stufe um Stufe hinunter, zuckte bei jedem Aufprall vor Schmerzen zusammen. Auf halbem Weg erwartete ihn Saphira, die den Hals und Kopf hinaufgeschoben hatte, so weit es ging, und in ihrer Raserei im Begriff war, das Holz zu zertrümmern.
Kleiner! Sie leckte ihm mit der rauen Zungenspitze die Hand. Er lächelte. Dann bog sie den Hals und versuchte, den Kopf zurückzuziehen. Es ging nicht.
Was ist los?
Ich stecke fest.
Du... Eragon konnte nicht anders: Er prustete los, obwohl ihm dabei alles wehtat. Die Situation war einfach zu komisch.
Sie schnaubte verärgert und ruckelte mit dem Körper hin und her, ließ dabei den ganzen Baum erzittern, doch es half nichts. Sie sank keuchend zusammen. Sitz nicht so untätig herum und grinse wie ein dummer Fuchs. Hilf mir lieber!
Eragon verkniff sich ein Kichern, stemmte einen Fuß gegen ihre Schnauze und schob, so fest er konnte, während Saphira sich mühsam hin und her wand, um freizukommen.
Sie brauchten mehr als zehn Minuten, bis es ihr endlich gelang. Erst jetzt sah Eragon die schweren Schäden an der Treppe. Er seufzte verdrossen. Saphiras Schuppen hatten die Rinde abgerissen und die kunstvoll aus dem Holz gewachsenen Verzierungen zerstört.
Hoppla!
Wenigstens bist du der Übeltäter und nicht ich. Dir verzeihen die Elfen bestimmt. Sie würden dir sogar die Liebesballaden der Zwerge vorsäuseln, wenn du sie darum bätest.
Er legte sich zu Saphira aufs Podest, schmiegte sich an ihren warmen Bauch und lauschte dem tosenden Sturm und dem Regen. Die Stoffmembran ließ grelles Licht ins Zimmer, wann immer dahinter ein Blitz explodierte.
Wie spät ist es?
Nur wenige Stunden, bevor wir zu Oromis müssen. Schlafe ein bisschen und erhole dich!
Und genau das tat Eragon. Das Schwanken des Baums störte ihn nicht mehr.

 

 

Der Auftrag des Aeltesten
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